Am Ort des Geschehens

EXIT

 

Obwohl die legale Sklaverei in fast allen Ländern der Erde abgeschafft wurde, weist Bales darauf hin, dass sie nicht verschwunden ist, sondern dass die alten Definitionen und Auffassungen von Besitz und ihre (ökonomischen) Verantwortungen nicht länger mit modernen betriebswirtschaftlichen Techniken übereinstimmen. Nach einer Analyse zeitgenössischer Strukturen von traditioneller Sklaverei in Mauretanien, moderner Sklaverei von Prostituierten in Thailand und brasilianischen Holzkohlebrennern sowie Schuldsklaverei in Pakistan und Indien, fasst er zusammen: „Die neue Sklaverei imitiert die Weltökonomie, indem sie sich von Besitz und Anlagenverwaltung entfernt und sich stattdessen auf die Kontrolle und Nutzung von Ressourcen oder Prozessen konzentriert. Anders gesagt ist das wie der Wechsel vom ‚Besitz‘ der Kolonien im letzten Jahrhundert zu der heutigen ökonomischen Ausbeutung derselben Länder, allerdings ohne die Kosten und Probleme der Aufrechterhaltung der Kolonien. Heute tun transnationale Firmen das, was die europäischen Kolonialreiche im letzten Jahrhundert getan haben - sie beuten natürliche Ressourcen aus und ziehen Vorteile aus billiger Arbeitskraft - aber ohne das ganze Land übernehmen und regieren zu müssen. Auf die gleiche Weise eignet sich die neue Sklaverei den ökonomischen Wert des Individuums an und hält es zwangsweise unter totaler Kontrolle - aber ohne Besitzrechte geltend zu machen oder Verantwortung für sein Überleben zu übernehmen. Das Ergebnis ist eine viel größere ökonomische Effizienz: unbrauchbare und nicht profitable Kleinkinder, die Alten und die Kranken oder Verletzten wird man los.“

 

 

Auf Grund dieser Verlagerung des Schwerpunktes, dieser Dematerialisierung, sind Firmen in ihrem Wesen viel konzeptueller, das Kapital viel nomadischer. Firmen wollen nicht länger Land und Fabriken als Grundlage für die Produktion besitzen, sondern stehen unter Druck, den Besitz (und die Verpflichtungen) auf ein Minimum zu reduzieren, indem sie so viel wie möglich auslagern.

 

Wenn also ein Vertrag für Sportschuhe von einem bestimmten Design, Material und Qualität vergeben worden ist, kann sich die Firma zurücklehnen und alles Wissen über Bezahlung, Arbeitsbedingung und Missbrauch leugnen, weil die vertraglichen Erfüllung dieser Bestellungen durch ein Subunternehmen abgewickelt wird.

 

 

Naomi Klein führt in ihrem Buch No Logo ein Beispiel an: „Ken Green, der Sprecher von Disney, zeigte das Ausmaß dieser Veränderung an, als er sich öffentlich frustriert darüber zeigte, dass seine Firma wegen der verzweifelten Situation in einer Fabrik auf Haiti, die Bekleidung für Disney herstellt, ins Gebet genommen wurde. ‚Wir beschäftigen auf Haiti niemanden‘, sagte er und bezog sich darauf, dass die Fabrik im Besitz eines Auftragnehmers ist.“