Wendet man sich dem anderen Bild zu, hat auch dieses eine Entsprechung in Riefenstahls Arbeit. Sie ist im Buch Die Nuba von Kau zu
finden. Riefenstahls „Liebesgeschichte“ mit dem Volk der Nuba rührt aus der Zeit nach dem Krieg, in der sie sich für ihre offensichtliche Unterstützung
des Naziregimes verantworten musste. Auf gewisse Weise war ihr Engagement in Afrika eine Flucht vor den Anschuldigungen zu Hause und inspiriert von Gregory
Rogers Buch Village of the Nuba, (1955 erstmals veröffentlicht).
In ihren Nuba-Büchern hat sich ihre Sichtweise nicht verändert - sie
macht ihre Fotos von derselben geistigen Zitadelle aus, wie ihre Filme - sie zeigt die gleiche Faszination mit dem Heroismus von Körperoberflächen
und das erlaubt es auch ihre Arbeit noch heute zu bewundern (und zu kopieren). Denn das westliche Zelebrieren der Jugend und des Körpers
verbindet sich allzu leicht mit Werbebildern und stereotypen Medienkategorien. Neben Pongers Arbeit komplettiert also ein virtueller Nubakrieger den
dritten Diptychon. Aber dieser Nubakrieger ist innerhalb eines sehr engen Kontextes fotografiert, eines, der die Realitäten des politischen Kampfes
ignorierte, der im Sudan seit der Unabhängigkeit 1956 herrscht. Aber wie soll man Pongers Bild lesen? Sie gibt uns einen Hinweis im Titel: Sidy
Mamadou Wane, Kurator aus Wien und Dakar spielt einen Nuba. Er spielt Riefenstahls Nuba, untergräbt aber ihr Bild durch seinen viel zierlicheren
Körperbau. Und obwohl sein Gesicht und Körper bemalt sind, hat er gegenüber dem echten Nuba einen Vorteil - er hat eine Kamera in der
Hand und wäre, zumindest potentiell, in der Lage die Fotografin (zurück) zu fotografieren. Seine Kamera macht also die BetrachterIn zu einem
symbolischen Objekt seines Fotos. In dem Ganzen gibt es eine letzte ironische Wende: die Kamera in Wanes Händen gehörte einst Riefenstahl.
Damit machte sie die Fotografien, die später in ihren Nuba-Büchern erschienen. |
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Über Riefenstahl sagt Susan Sontag, dass sie wohl „wohl kaum die typische Ästhetin oder anthropolgische Romantikerin ist,
die Kraft ihrer Arbeit liegt gerade in der Kontinuität ihrer politischen und ästhetischen Ideen; interessant ist aber, dass das früher
viel klarer wahrgenommen wurde als heute, wenn Leute behaupten, dass sie von der Schönheit der Komposition in Riefenstahls Bildern angezogen werden.
Ohne historische Perspektive ebnet solche Kennerschaft den Weg für die seltsam geistesabwesende Akzeptanz von Propaganda für alle möglichen
destruktiven Gefühle - und die Menschen weigern sich heute, die Implikationen dieser Gefühle ernst
zu nehmen.“ Und auf einer anderen Bedeutungsebene mag das auch die Crux einer weiteren Dualiät sein. Auf diese Art stoßen zwei
Weltsichten aufeinander. Riefenstahl bestand bis zu ihrem Tod darauf, dass ihre Arbeit nicht in einem breiteren Kontext gelesen werden sollten, dass
man sie aus der Geschichte entfernen, und sie getrennt von dem betrachten solle, was zu ihrer Entstehungszeit geschah und gedacht wurde. Gleichzeitig
nahm für sich in Anspruch, zur Bewahrung „der Kultur dieses einmaligen afrikanischen Stammes für die Nachwelt“ beizutragen, obwohl
sie argumentierte, dass nur ästhetische Kriterien für die Beurteilung ihrer Arbeit relevant seien. Das ist ein „Bewahrungs“-Trick, mit dem
man leichter durchkommt, wenn der Andere keine eigene Stimme besitzt und nur ein „Produkt“ auf einem Bildermarkt ist, der Kulturen als Waren betrachtet.
Buch sagt „Genaugenommen besteht zwischen Bewahrung und Zerstörung einer Kultur gar kein Widerspruch: der Dominikanermönch Diego de Landa
ließ die heiligen Bücher der Mayas abschreiben und ins Spanische übersetzen, bevor
er sie den Flammen übergab.“ Das schließt aber echten Gefühle der Wärme und die Identifikation, die Riefenstahl beschreibt,
nicht aus. Ponger aber besteht darauf ihre Arbeit zu kontextualisieren und verlangt, dass sie entweder in einem (kunst)historischen Rahmen positioniert
wird, in einem aktuellen politischen oder in beiden. Und außerdem soll sie ästhetisch beurteilt werden. |