In Cabanels Kleopatra erprobt Gift an verurteilten Gefangenen (1887) ist eine kraftvolle Mischung am Werk - eine träge,
beinahe gelangweilte, halbnackte Kleopatra liegt auf einem erhöhten Diwan und beobachtet desinteressiert den sich krümmenden zweiten Gefangenen.
Das erste (tote) Opfer wird weggetragen. Die sexuelle Verfügbarkeit der Frau wird von ihrer tödlichen und despotischen Macht, die sie gerade
demonstriert, verneint. Glücklicherweise blickt sie nicht in unsere Richtung und so können wir sie betrachten ohne Angst, entdeckt zu werden
und ihr ins Auge sehen zu müssen. |
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Dieser Arbeit kann man Makarts Der Tod der Kleopatra gegenüberstellen oder Rixens Gemälde mit demselben Titel, die
beide die Königin in halb- oder völlig nacktem Zustand zeigen. Wie auch bei ethnologischen/anthropologischen fotografischen Porträts
ist es hier wichtig, dass bestimmte unausgesprochene Konventionen beachtet werden, besonders im Zusammenhang mit der Populärkultur (Postkarten,
Reisebücher). Margaret
Miles weist in einem anderen Zusammenhang darauf hin, dass die Arbeiten „sorgfältig auf die anderen visuellen Inhalten abgestimmt sein
müssen,
damit die erotische Reaktion nicht dominiert und so die Beschäftigung des Betrachters
mit dem Gemälde nicht zu ‚bloßer‘ Sinnlichkeit verkommt.“ In Gérômes Der Sklavenmarkt (1867) wird
die sexuelle Verfügbarkeit durch die Positionierung der jungen, nackten weiblichen Sklavin im Zentrum des Bildes sogar noch stärker betont.
Alle anderen stehenden Figuren sind Männer, von denen einer, das Gesicht halb verschleiert, scheinbar ihre Zähne auf dieselbe Art untersucht,
wie ein Händler das Alter eines Pferdes feststellt. Der Sklavenhändler steht hinter seiner Ware und trägt ihr Gewand über seinem
Arm. Die „realistischen“ Details des Gemäldes lassen eine dokumentarische Absicht erahnen und stimulieren im Gegensatz zur Nacktheit
in der Darstellung religiöser
Szenen, direkt die Fantasien männlicher sexueller Macht. Und im Gegensatz zur mythischen Nacktheit wird der Mythos nicht als solcher akzeptiert,
sondern auf eine Art und Weise dargestellt die suggeriert, dass wir ihn ignorieren sollen. Ähnlich auch Trouilleberts Bild Die Haremsdienerin,
das aber auf die einzelne Figur der barbusigen Dienerin reduziert ist, die ein sehr dekoratives Tablett aus getriebenem Metall mit einer Narghile trägt.
Manche deuten ihren Blick als rätselhaft, aber die Kombination der Ketten der „Bondage“ an den Handgelenken der Dienerin und der Titel
des Bildes könnten auch eine versteinerte Miene oder Ergebenheit suggerieren. Die Malerei genoss immer gewisse Freiheiten. |