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Die europäische Aufklärung, der Glaube an das rationale Denken, gab der wissenschaftlichen Erforschung der Welt und dem Platz der Menschheit darin einen langfristigen Impuls. Doch dieser Ansporn, der zu Klassifikationssystemen für Pflanzen und Tiere führte, zu Taxonomien der Himmelskörper und zur Untersuchung der Ursprünge menschlichen Lebens führte auch zu einer falschen Wissenschaft, als sie sich mit den herrschenden Bedürfnissen der Mächtigen verband. Das allererste dieser Bedürfnisse ist die Aufrechterhaltung der Macht und oft scheint es, dass man die dafür benötigten „rationalen“ Beweise erzeugte. Dafür braucht man nur die korrekten Kriterien. Beispielsweise im Jahr 1879, als das Wahlrecht für englische Frauen noch ein halbes Jahrhundert entfernt war, konnte einer der Gründer der Sozialpsychologie mit absoluter Sicherheit und völlig ernsthaft feststellen:

„Es gibt bei den intelligentesten Rassen, beispielsweise unter den Parisern, eine große Anzahl von Frauen, deren Gehirne in ihrer Größe eher denen von Gorillas ähneln, als normal entwickelten männlichen Gehirnen. Sie stellen die unterste Stufe menschlicher Entwicklung dar, und sie stehen Kindern und Wilden näher als erwachsenen, zivilisierten Männer.

 

Zweifellos existieren einige distinguierte Frauen, die dem durchschnittlichen Mann weit überlegen sind, aber sie sind so rar wie jede andere Monstrosität, wie zum Beispiel ein Gorilla mit zwei Köpfen, und daher können wir sie getrost vernachlässigen.“ Die (physische und messbare) Schädelkapazität wird als Index für Intelligenz (wie auch immer man sie definieren will) festgelegt, Frauen, Kinder, Wilde und Gorillas sind von den Kategorien, die zählen ausgeschlossen. Man sollte die Subtilität der „Wissenschaft“ in einem solchen Kontext nicht unterschätzen wie ein Beispiel aus einem Werk mit ethnologischen (und imperialen) Bestrebungen zeigt: „Dieser wohlhabende Bauer aus Nordtirol repräsentiert die Rasse des edlen Hochländers, die, wie Wissenschaftler herausgefunden haben, von allen Rassen jene mit größter Gehirnkapazität ist.“

Sich auf die Terminologie aus der Viehzucht zu stützen ist typisch für die Zeit, (und mit anderen wichtigen Themen verbunden) aber besonders relevant ist die emotionale Konstellation in der Beschreibung - „Rasse des edlen Hochländers“, „größte Gehirnkapazität“ und „wohlhabend“. Alle Charakteristika machen sich an dem männlichen Bauern fest. Die Armen brauchen sich erst gar nicht zu bewerben.