Die Unterströmungen des Tourismus

EXIT

 

Erst im Nachhinein beginnt es dem Bewusstsein zu dämmern und man erkennt, dass dieser Film, zusammengeschnitten aus Amateurmaterial unterschiedlichster Herkunft, ein Archiv darstellt: eine Sammlung von kollektiven westlichen Klischees exotischer Andersheit. Geographischer Unsinn, der jetzt einem anderen Rhythmus folgt. Andenken an Orte in einer Zeit, in der man Fotos statt Seide, Super 8 Filme statt Gewürze mit nach Hause bringt. Diese persönlichen Erinnerungsstücke sind aus über 60 Stunden Filmmaterial ausgewählt und bezeugen eine Sichtweise, eine weiße Weltansicht, einschließlich aller unausgesprochenen Hierarchien. Diese Sichtbarkeiten laden ein, sich von ihrer exotischen Opulenz verwöhnen zu lassen, die Lust daran wird aber immer wieder vorsätzlich irritiert. Eine explizite Irritation geht von der Gestalt des winkenden Touristen aus, oder der Frau, die unseren Blick mit ihrer Filmkamera „verdeckt“, oder des Mannes, der das Geschehen unterbricht, um seine künftige Erinnerung zu fotografieren. Eine implizite Irritation sind die Frauen, die sich vor unserem aufdringlichen Blick zu schützen suchen. Noch krasser wird uns unser Voyeurismus vor Augen geführt, wenn wir die Frauen betrachten, die auf ihrem Weg um Gnadensuche auf ihren Knien zur Kirche rutschen.

 

Diese Aufnahmen könnten in aller Unschuld geschossen worden sein, doch es ist die Unschuld unbewusster Komplizenschaft.

 

Im Rahmen von déja vu erhält man einen anderen Blick auf jene Sammelleidenschaft, die in scheinbarer Naivität all die Wunder dieser Welt zusammenträgt.

 

Zu Beginn des Films arbeiten die Geräusche Hand in Hand mit den Bildern, sie unterstreichen deren dokumentarischen Charakter und fügen sich dem quasi-narrativen Fluss. Man sollte aber im Hinterkopf behalten, dass wir es hier mit kinematografischem Ton zu tun haben - mit Annäherungen oder schlichten Täuschungen, die allerdings den Anschein von Authentizität erwecken. Geräuschmanipulationen und Taschenspielertricks (das „alle großen Schiffe müssen im Hafen einmal tuten“-Syndrom), die wir alle gern für bare Münze nehmen. Aber lange währt dieser Flirt nicht. Bei vielen Gelegenheiten bricht etwas durch, das an finstere Ironie grenzt. Dazu zwei Beispiele. Die Aufnahme von der Reling eines Schiffes, das gerade südliche Gewässer durchpflügt. Dazu erklingt von der Tonspur Choralmusik, deren emotionale Kraft einen erschauern macht. Sie ist einerseits „Filmmusik“, erfüllt aber auch eine narrative Funktion und übermittelt wichtige Informationen. Vielfältig sind die Assoziationen.