Tückische Gewässer
oder Wo sind die Untertitel geblieben?
Schon von den ersten Bildern an, der Parade, die über die Leinwand zieht, sind die ZuschauerInnen verführt. Sie geraten in
den Sog der fremdartigen, zugleich sonderbar vertrauten Aufnahmen von Menschen und Orten. Diese Bilder sind Dokumentaraufnahmen, aber auch Zeugnisse
unserer Sehnsucht nach fernen Ländern, nach glanzvollen Ereignissen, nach den von tausend und einem Stern übersäten tropischen Nächten,
die keine Kamera einzufangen vermag. |
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Die Szenen reihen sich auf einem roten Faden wie Glasperlen, mit denen man früher Handel trieb. Was visuell geschieht, geschieht
allerdings zu rasch, um uns viel Kontrolle über das Geschehen, eine Analyse oder Diskussion zu gestatten. Erst im Nachhinein beginnt es dem Bewusstsein
zu dämmern und man erkennt, dass dieser Film, zusammengeschnitten aus Amateurmaterial unterschiedlichster Herkunft, ein Archiv darstellt: eine Sammlung
von Klischees exotischer Andersheit. Geographischer Unsinn, der jetzt einem anderen Rhythmus folgt. Andenken an Orte in einer Zeit, in der man Fotos
statt Seide, Super 8-Filme statt Gewürze nach Hause mitbringt. Diese persönlichen Erinnerungsstücke sind aus über 60 Stunden Filmmaterial
ausgewählt und bezeugen eine Sichtweise, eine weiße Weltansicht, einschließlich aller unausgesprochenen Hierarchien. Diese Sichtbarkeiten
laden ein, sich von ihrer exotischen Opulenz verwöhnen zu lassen, die Lust daran wird aber immer wieder vorsätzlich irritiert. Eine explizite
Irritation geht von der Gestalt des winkenden Touristen aus, oder der Frau, die unseren Blick mit ihrer Filmkamera „verdeckt“, oder des Mannes, der das
Geschehen unterbricht, um seine künftige Erinnerung zu fotografieren. Eine implizite Irritation sind die Frauen, die sich vor unserem aufdringlichen
Blick zu schützen suchen. Noch krasser wird uns unser Voyeurismus vor Augen geführt, wenn wir die Frauen betrachten, die auf ihrem Weg um Gnadensuche
auf ihren Knien zur Kirche rutschen.
Diese Aufnahmen könnten in aller Unschuld geschossen worden sein, doch es ist die Unschuld unbewusster Komplizenschaft. Im Rahmen
von déjà vu erhält man einen anderen Blick auf jene Sammelleidenschaft, die in scheinbarer Naivität all die Wunder dieser
Welt zusammenträgt. Wie Thomas Kuhn bemerkte, haben die meisten Wissenschaftler die Paradigmen ihrer Disziplinen derart verinnerlicht, dass sie
sie trotz ihres bestimmenden Einflusses gar
nicht mehr wahrnehmen. Tatsachen, die in den Schubladen der Paradigmen keinen Platz finden, werden entweder ignoriert oder glatt bestritten. |