Shangri-La

EXIT

 

Wie stark dieses Bild in der westlichen Kultur eingebettet ist und welche Macht es ausüben kann, zeigt sich an den folgenden Beispielen. Während des Zweiten Weltkriegs war Papua Neuguinea teilweise von den Japanern besetzt. Nachdem die Amerikaner die Küstengebiete eingenommen hatten, wurde eine Luftbildvermessung der Region angeordnet. Während dieser Erkundungen, die von einem gewissen Myron Grimes durchgeführt wurden, wurde ein wunderschönes grünes Tal entdeckt, das ihn dazu anregte, die Geschichte eines „unentdeckten Shangri-Las“ weiterzuerzählen.

 

Die Idee beflügelte rasch die Vorstellungskraft zweier Kriegsberichterstatter, die die Erlaubnis erhielten, das Gebiet zu überfliegen und Fotos aus niedriger Flughöhe aufzunehmen, was sie auch taten. Die veröffentlichte Geschichte hatte zwei Auswirkungen. Einerseits wurde das militärische Hauptquartier in Washington mit Ansuchen überschwemmt, nach Shangri-La auszuwandern (obwohl niemand aus dem Westen dort jemals einen Fuß hingesetzt hatte), andererseits wurde ein Shangri-La Klub gegründet. Mitgliedschaft war auf diejenigen, die das Tal überflogen hatten, beschränkt. Im Mai 1945 organisierte eine Gruppe von 24 Soldaten, unter ihnen 8 Frauen, eine Exkursion. Das Flugzeug stürzte ab, es gab 3 Überlebende. Im Gegensatz zu der Annahme, dass das Gebiet von „edlen Wilden“ à la Rousseau bewohnt wurde, lebten die tatsächlichen Bewohner, eine Gruppe von Dani, mit ihren Nachbarn beinahe ständig im Krieg und waren Kannibalen. Die Überlebenden wurden schließlich gerettet.

 

 

Das zweite Beispiel ist ein österreichisches. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war geprägt von wirtschaftlicher Depression und daraus resultierender hoher Arbeitslosigkeit, Not und Armut. Geschichten von Möglichkeiten und Reichtum in weit entfernten Ländern stießen auf offene Ohren. So war es auch mit dem „Projekt Äthiopien“. 1928 brach eine große Gruppe Arbeitsloser zu Fuß dorthin auf, viele ohne Pass und die meisten mit geringen oder keinen finanziellen Mitteln. Unterwegs in Richtung Triest, wo sie an Bord eines Schiffes nach Abessinien gehen wollten, wurden sie an der Grenze aufgehalten, des "Vagabundierens" und der illegalen Bettelei beschuldigt. Sie flohen in Panik. Ironischerweise war der Maria-Theresien Silbertaler zu dieser Zeit (und bis um ca. 1960) in dem Land, in das sie zu emigrieren hofften, eines der am weitesten verbreiteten Zahlungsmittel.

 

Vergleicht man diese Beispiele mit dem ursprünglichen Shangri-La wird deutlich, dass die Grenze zwischen Vorstellung und Realität, Fakt und Fiktion völlig fließend ist.