Sich ein Bild von der Realität machen

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Diese führten zum Tod von mindestens einem Gefangenen und beinhalteten Vergewaltigung mit einem Besenstiel und andere Gewalttaten. Ungefähr ein Monat bevor diese Geschichte in die Medien kam - aber nachdem diverse internationale Agenturen darüber berichtet hatten - zirkulierten Fotos, die eine angebliche Vergewaltigung einer Irakerin durch US-Soldaten zeigten. Diese „Fälschungen“ stammen von einer Porno-Website. Der Daily Mirror veröffentlichte eine Reihe anderer Fotografien, die angeblich britische Soldaten bei der Misshandlung von Gefangenen zeigen. Der Herausgeber der Zeitung, Piers Morgan, wurde dann wegen der Veröffentlichung der Fälschungen und mit der oberflächlichen Begründung, dass sie laut Armee britische Soldaten gefährden und ein „Rekrutierungsposter für Al-Kaida seien“, zum Rücktritt gezwungen (unter dem Druck der Geschäftsinteressen der Zeitung, die jeglichen investigativen Journalismus in diese Richtung unterbinden wollten - ob sensationsgierig oder nicht). Es ist ironisch, dass die Kämpfer des islamischen Jihad die Pornofotos jetzt als echt zirkulieren lassen, wahrscheinlich mit weit größeren Auswirkungen als die echten Fotos je hätten haben können.

 

Wir müssen also Kriterien, Empfindungsvermögen und Skeptizismus entwickeln, die über die traditionellen Kategorien hinausgehen (sie aber weiterhin einschließen). Bilderfluten schlagen über uns zusammen und wir können uns nicht länger auf das gewohnte Einverständnis verlassen, dass die Bilder sich auf die Realität beziehen. In den meisten Fällen wird das keine Rolle spielen. Wenn es aber eine Rolle spielt müssen wir hinterfragen, woher das Bild stammt, wer es gemacht hat und warum... Es ist eine Frage der Macht, die hinter der Oberfläche des Bildes steckt, eine Frage die uns auffordert über die Intention der ProduzentInnen des Bildes und das Ausmaß des Vertrauens, das wir ihnen entgegenbringen, ebenso ein Urteil zu fällen, wie über den sozi-politischen Kontext in dem das Bild gemacht wurde und in den es gegenwärtig gestellt wird. Eines ist sicher, die Aufrechterhaltung von Unterscheidungen zwischen künstlerischen Bildern und Bildern der Massenmedien wird schwieriger. Vattimo formuliert das sehr treffend mit dem Hinweis, dass wir uns daran gewöhnen müssen in einer „Welt der Bilder der Welt“ zu leben.