Congo Blues scheint ein einfaches Bild zu sein. Ein Bild, das die schwarzgefärbten Hände eines weißen Musikers
zeigt, der schwarze Musik macht. Diese gesamte Anordnung wird noch einmal in den schwarzen und weißen Tasten des Klaviers reflektiert. Kulturelle
Aneignung? Anzeichen kultureller Hybridität? Möglicherweise, doch glaube ich, dass die Bedeutung, und somit der Teufel, im Detail stecken.
Die scharfe Linie am Handgelenk kann mehrfach interpretiert werden. Eine mögliche Lesart historischer Natur ergibt sich besonders im Hinblick auf
den Titel des Bildes. Ende des 19. Jahrhunderts machte König Leopold II. von Belgien den Kongo zu seinem Privateigentum. Er erwarb sich den Ruf,
ein humaner und menschenfreundlicher Herrscher zu sein, der einerseits viel dafür tat, das Leben der Eingeborenen „zu verbessern“, andererseits
mit Hilfe seines Militärapparats, der Force Publique, den Sklavenhandel bekämpfte. Tatsächlich war die Situation genau umgekehrt.
Der größte Teil dieser Force Publique bestand eigentlich aus Sklaven, die aus der regionalen Bevölkerung wie auch aus weiter entfernten
Gegenden „ausgehoben“ wurden. In der Verwaltung befanden sich ehemalige Sklavenhändler.
Auf den Gummiplantagen war Unmenschlichkeit an der Tagesordnung. Arbeitern, die ihr Soll nicht erfüllten, wurde nicht selten eine
Hand abgeschnitten. Das gleiche Schicksal ereilte jene, die der Brutalität der Armee Widerstand leisteten, gleich
ob es sich um Männer, Frauen oder Kinder handelte. Die Gummibänder, absichtslos um das rechte Handgelenk des Klavierspielers geschlungen,
weisen möglicherweise auf all diese Umstände hin, so wie auch das Klavier der Marke Crown (die Verbindung zum Elfenbeinhandel). Congo Blues scheint
also eher ein Lamento, eine Anklage, und auch eine Warnung zu sein: eine Warnung davor, Geschichte zu fälschen und den Ursprung von Produkten zu
vergessen, die für uns ganz selbstverständlich sind.
2000 |
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