Anthropologie und Ethnologie

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Sie fühlen sich den Missionaren weder durch innere Haltung noch durch Herkunft verbunden, und können daher das Gewinnen von Herzen und Seelen ruhigen Gewissens der Kirche überlassen.

 

Wenn die bisherige Diskussion der strukturellen Position der Anthropologie/Ethnologie allzu weit von der alltäglichen Realität entfernt scheint, so kann man sie mit einem einfachen Gedankenexperiment ganz leicht wieder auf den Boden zurückholen. Wir können die Situation auf den Kopf stellen.

 

Wie lange würde es dann wohl dauern, bis es zu einem ernsthaften Zwischenfall kommen oder sogar die Polizei einschreiten würde, gefolgt von einer Strafexpedition aus Delhi als Vergeltungsmaßnahme für die Demütigungen, die ihre Landsleute ertragen mussten?

 

Historisch gesehen musste die Anthropologie/Ethnologie gewisse Funktionen erfüllen, die entweder den Disziplinen selbst implizit waren und/oder von der kolonialen Kultur im Kontext der Beobachtung, der Klassifikation und der Kontrolle subalterner Kulturen verlangt wurden. Sogar wenn wie in britisch regierten Gebieten Afrikas, EthnologInnen einer interventionistische Politik "im Namen" der von ihnen untersuchten Gruppen folgten, führte das zwar zur Ernennung lokaler Herrscher derselben ethnischen Gruppe, tatsächlich wurden sie aber wegen ihrer Bereitschaft zur Kooperation mit den kolonialen Autoritäten ausgewählt. Ich will damit nicht sagen, dass die koloniale Hegemonie vollkommen war, ganz im Gegenteil; noch will ich andeuten, dass alle afrikanischen Führer in solchen Positionen bloße Marionetten waren, die durch die Stimme ihres Herren aktiviert wurden. Trotz der Schwierigkeit, Information von afrikanischer Seite zu erhalten, gibt es eine ausreichende Anzahl Memoiren von kolonialen Verwaltungsbeamten die nahelegen, dass manche dieser Führer kluge und fähige Politiker waren, die für ihre Völker umfassende Unabhängigkeit, sowohl kulturelle als auch andere, aushandeln konnten. Natürlich nur innerhalb der von der Kolonialmacht vorgegebenen Parameter und (vor allem ökonomischen und strategischen) Ziele.

 

 

Andererseits gab es auch diejenigen Vertreter der Profession, die sich völlig den magischen Kräften des Vermessens, der tabellarischen Ordnung und der Klassifikation von Menschen verschrieben (und die fest daran glaubten), und zwar innerhalb der Strukturen einer Unternehmung, in der die Untersuchten auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe standen, weniger zivilisiert waren etc.

 

Man nehme an, eine AfrikanerIn (oder eine ganze Gruppe InderInnen) zieht in kleines Dorf in Österreich, Bayern oder Schottland ein und macht sich daran, unendlich viele Fragen über die BewohnerInnen, ihre Familienbande, Beschenkungsgebräuche, sexuelle Aktivitäten und ähnliches zu stellen, Gräber aufzugraben, Grabsteine im mittelalterlichen Friedhof zu entfernen oder die barocken Fresken in der örtlichen Kirsche gegen moderne Kopien auszutauschen.