Fremdes Wien stellt auf gewisse Weise einen Katalog kultureller Präsenz dar. Es geht um die Gegenwart von Menschen, die
im besten Fall öffentlich nicht in Erscheinung treten, im schlechtesten als politisches und soziales „Problem“ betrachtet werden. Die Bilder der
Serie Fremdes Wien sind groß, 80 x 80 cm, große Flächen von schwarzem Fotopapier, in denen sich strategisch plaziert kleinere
Abbilder befinden. Sie scheinen flüchtig, in einem schwebenden Zustand zwischen Erscheinen und Verschwinden verharrend enthüllen sie sich selbst,
um dann wieder in ihrer eigenen Dunkelheit zu versinken. Dies ist manchmal auf die Komposition zurückzuführen (Figuren vor einem dunklen Hintergrund),
manchmal aber auch auf den Prozess des Kopierens und Vergrösserns von Super 8 Kadern. So betrachtet verleiten sie zur Spekulation. In welchem Moment
ihres Übergangs in die Dunkelheit würden sie sich in impressionistische Farbstudien ohne Inhalt auflösen? Und wo hingegen würden
sie wieder in einen Schärfebereich wechseln? Die Antwort auf letzteres lautet: am Ort ihres eigenen Ursprungs, in einem einzelnen Super 8 Kader.
Super 8 als fotografisches Medium zu wählen wirft außer ästhetischen auch andere Fragen auf, Fragen nach Inhalt, Kontext und Produktionsbedingungen.
Die moderne Fotografie beruht oft auf motorgesteuertem Filmtransport, hochsensiblem Filmmaterial und großen Filmmagazinen, vor
allem dann, wenn sie sich mit bewegten Objekten beschäftigt. Daraus resultiert der Umstand, dass die Arbeitssequenz sich beinahe einer Filmaufnahme
annähert. Trotzdem folgen wir der ursprünglichen Absicht und nehmen die Resultate als Fotografien wahr. Ein Filmkader hat vergleichsweise
eine viel größere Affinität zu Dauer und Bewegung und lenkt so unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass er selbst wieder Teil einer
Sequenz (die wir nie sehen werden) ist, mit 24 Bildern pro Sekunde aufgenommen. Diese Beziehung bleibt auch in Bildern, die sehr statisch komponiert
sind erhalten, wie in dem von der Hindubraut. Es scheint uns, als könnte sie sich jeden Moment erheben, oder als könnte ihr Bräutigam
plötzlich im Bildausschnitt erscheinen. |
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Diese flüchtigen Blicke auf öffentliche Ereignisse und Zeremonien insistieren auf einer Wahrnehmung von Zeit und ihren narrativen
Strukturen.
Die Wahl des Mediums Super 8 kann als Teil einer künstlerischen Strategie von Vermeidung und Re-Präsentation begriffen werden.
Re-Präsentation innerhalb eines Buches gibt den Menschen Gelegenheit, für sich selber zu sprechen. Hier erscheint der Weihnachtsmann genauso
fremd wie ein maskierter Tänzer, und noch fremdartiger als eine Doppelhochzeit. Es scheint auch um den Versuch zu gehen, scharfe und fokussierte
Bilder zu vermeiden, da diese die automatischen
Stereotypen westlicher Kultur aktivieren. Devine zeigt, dass sogar Menschen mit einer niedrigen Vorurteilsschwelle die automatische Aktivierung von
Stereotypen verhindern müssen. und in unserem von Bildern gesättigtem Leben kontinuierlich verstärken. Jene Stereotypen oder Kategorien
und deren Charakteristika existierten lange vor der Fotografie und reichen bis zu deren Anfängen an einen Ort zurück, an dem auch der Ursprung
des westlichen Denkens zu finden ist. Somit sind diese Stereotypen zentral
in Pongers Werk.
Auf der gleichen Seite, auf der auch die Fotografie des Heiligen Nikolaus abgebildet ist, schreibt Anton L. van Beek: „Unsere gegenseitige
Akzeptanz ist viel, viel größer (als die der Österreicher/der Wiener). Was andere tun, beschäftigt uns nicht, auch wenn es verschieden
ist von dem, was wir gewöhnt sind. Wir schneiden uns nicht von den anderen ab. Man sieht das untere anderem auch daran, dass Vorhänge in
niederländischen Häusern sehr selten sind. Wenn man nur die richtige Route wählt, kann man vom
Zug aus ein ganzes Fernsehprogramm mitverfolgen.“
Ob man nun die ungeschriebene Gesetzmäßigkeit und Abbildung des transparenten Lebens einer liberalen Offenheit zuschreibt
oder anderen Formen sozialer Kontrolle, es
stellt sich die Frage nach dem Blick. |