déjà vu

EXIT

 

Die Fragmentierung, die das Nichtverstehen auslöst, spiegelt die im Film abgebildete Fragmentierung der Welt und verhindert, dass wir die Geschichten als bloßen Hintergrund aufregender visueller Geschehnisse betrachten.

 

Stellen Sie sich vor, Ihre Großeltern plauderten aus ihrem Leben. Sie erzählten, wie sie von Geburt an glücklich in ihrem Dorf gelebt haben, ohne größere Probleme, abgesehen von kleinen Streitereien mit den Nachbardörfern. Dann sagen sie, dass sie eigentlich nicht weitererzählen wollen, es aber tun müssen, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. Und nun berichten sie wie jemand vorbeikam, der ihnen sagte, was sie zu tun und zu lassen hätten. All das singt André Mawazo-Mukalay aus der Demokratischen Republik Kongo, der diese Geschichte dann noch in fünf weitere Sprachen kleidet, so dass sich insgesamt sechs ergeben: Deutsch, Französisch, Lubakati, Lingala, Swahili und Tschiluba. Mit nur wenigen Zeilen wird die Bedeutung kolonialer „Verwaltung“ auf den Punkt gebracht.

 

In einer in Gujarati gesprochenen Passage fallen in kurzer Folge die Worte Dar-es-Salaam, Rajula, Bombay. Shaheen Merali berichtet, wie sein Großvater und dessen Bruder Indien verlassen haben, um in Tanganyika nach Arbeit zu suchen und sich dort niederzulassen. Die Ortsnamen erzeugen in uns einen geistigen Lageplan, ein unsichtbares Wegenetz, das Stoff zum Träumen bietet und darin den Absichten der AmateurfilmerInnen entspricht. Es geht offenbar um eine Reise von einem Kontinent und seiner Kultur zu einem anderen. Für andere, und aus der Perspektive jener Epoche, in der Geschichte spielt, betrachtet, war eine solche Reise kurz - nur ein kurzes Stück den Korridor der Kolonialbehörde entlang, von einem Büro zum nächsten. Die Sprache der Macht blieb die gleiche.

 

Wer heute reist, kapselt sich zumeist ab, schützt sich nicht nur vor Wind und Wetter, sondern auch vor sämtlichen anderen Einflüssen. Man reist nach genau festgelegten optischen und akustischen Fahrplänen.

 

Tatsächlich sind die meisten Reisenden gar keine Reisenden, sondern, wie Michael Asher sagt, Pendler. Während aber die meisten Pendler zumindest einige Male im Jahr ins Theater gehen, sind sich TouristInnen selten darüber im klaren (oder wollen nicht wahrhaben), dass sie BetrachterInnen eines Schauspiels sind, das eigens für sie aufgeführt wird. Deutlich wird das nur indirekt, daran nämlich, dass die am häufigsten erzählten Feriengeschichten immer den einzigartigen und zufälligen Charakter einer Begebenheit herausstreichen, an der auch nie andere TouristInnen beteiligt waren. Erlebnisse dieser Art findet man auch in déjà vu, nur werden sie hier zum Selbstzweck. Shaheen Merali erzählt uns eine Kindheitserinnerung, ein eindringlich buntschillerndes Erlebnis mit roten Beeren und blauem Schwimmbecken, bei dem ihm bewußt wurde, dass die Menschen in Bikinis und Badehosen weiß waren.