Gone Native

EXIT

 

Gone Native war historisch gesehen ein Ausdruck, der die Fundamente des kolonialistischen Konsensus erschüttert, indem er sowohl den Verrat gemeinsamer Werte wie auch moralische Verkommenheit implizierte. Im Kontext der chinesischen Kultur mag dies auf eine exzentrische Weise exotisch gewirkt haben, und in der Arabischen Wüste auf provokante Weise maskulin, aber in Verbindung mit afrikanischer Kultur hätte die Idee, „zum Eingeborenen zu werden“ (going native), einen Versinken in die Dunkelheit der Moral bedeutet, einen großen Schritt zurück auf der (sozial) - darwinistischen Leiter. Natürlich waren sexuelle Verhältnisse mit Frauen anderer Kulturen, solange sie nicht formalisiert wurden, eine etwas andere Angelegenheit. Derartige Beziehungen bedeuteten ja nicht notwendigerweise, dass man auch die Kultur akzeptierte, aus der die jeweilige Frau stammte. Eine weiße Frau, „gone native“, mußte nach den damaligen moralischen Standards ihrer männlichen Aufpasser - Vater, Bruder, oder Ehemann - völlig außer Kontrolle geraten sein. Diese Vorstellung repräsentierte im Rahmen kolonialen Denkens ultimative soziale Anarchie.

 

Heute hat das Rad sich etwas weiter gedreht. Weltweiter Massentourismus hat die Konturen verwischt, das Entstehen der Ethnomode wie auch visuelle Aneignung und kommerzielle Ausbeutung von Exotizismen für den Hausgebrauch haben uns an den Anblick von (westlichen) Menschen gewöhnt, die sich in andere Kulturen „kleiden“. Trotzdem findet sich ein Nachhall dieser kolonialen Geschichte in Pongers Fotografien.

Den Titel und die Fotografie gemeinsam betrachtend, beginnt man, über die ambivalente Natur der Beziehung zwischen der Frau und dem halbwüchsigen Afrikaner (oder Afro-Amerikaner?) zu spekulieren. Obwohl er eine dreidimensionale Repräsentation ist, und sie eine „wirkliche“ Person, weist der Umstand, dass beide auf identischen und exakt parallel mit dem Hintergrund arrangierten Stühlen sitzen, darauf hin, dass wir eine bestimmte repräsentative Gleichberechtigung aus diesem Werk herauslesen können.

 

Genaugenommen bedeutet der Begriff „going native“, dass jemand, der aus dem Westen kommt, Kleidung und Gebräuche einer nicht-europäischen Kultur annimmt, während er dort lebt. So hängt dies also vom kulturellen Kontext und der geographischen Lage ab. Dies scheint die Eindeutigkeit der Bildes - trotz des Hinweises auf eine österreichische Firma im Hintergrund - zu unterminieren, und auch unsere Vermutung, wer von den beiden zum „Eingeborenen“ geworden ist. Schließlich würde man von einem Nicht- Europäer, der die „richtige“ Kleidung und die „entsprechenden“ Gebräuche annimmt, nie behaupten, er wäre zum Eingeborenen geworden. Man würde sagen, er hätte sich integriert, oder assimiliert. Einfach gesagt, das gemeinsame mit den anderen Werken dieser Serie besteht darin, dass Ponger nicht nur als sie selbst präsent ist, sondern auch Aspekte und hierarchische Vorstellungen ihrer Kultur repräsentiert.