Authentizität

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Laut Lexikon (Shorter Oxford) bedeutet authentisch: von unstrittiger Herkunft, echt; auf die traditionelle oder ursprüngliche Art, auf originalgetreue Weise hergestellt oder ausgeführt. Untersucht man diese disparaten Definitionen genauer, zeigen sich bestimmte Charakteristika. Zuallererst muss das Objekt oder die Handlung echt sein - im Gegensatz zu gefälscht. Wenn es/sie nicht echt ist, aber auf traditionelle Art hergestellt oder ausgeführt wurde, kann es/sie ebenfalls als authentisch klassifiziert werden. Das kann man dem ersten Anschein nach als eine teilweise Unterscheidung zwischen bildender Kunst und Handwerkskunst lesen. Ein kopierter Rothko ist also nicht authentisch, weil die Definition in diesem Fall mit einschließen würde, dass das Bild von Rothko selbst oder zumindest unter seiner Aufsicht gemalt wurde. Es würde nicht genügen, dass einer seiner StudentInnen es in seinem Stil malt.

 

 

Im zweiten Fall scheint es so zu sein, dass eine afrikanische Maske, ein Maya huipil oder ein Sheraton Stuhl echt sind, wenn sie auf traditionelle Art hergestellt wurden. EthnologInnen und AntiquitätenhändlerInnen könnten durchaus anderer Meinung sein und argumentieren, dass zu den bestimmenden Faktoren nicht nur das Objekt selbst zählt, wer es herstellt und wie es hergestellt wird, sondern dass die Kategorie der „Authentizität“ auch viel mit der Geschichte(n) des Objektes zu tun hat, mit dem chronologischen Element und der kulturellen Funktion des Objektes. Für die EthnologIn ist es daher wichtig, dass die afrikanische Maske, die für das Museum angekauft wird, authentisch und keine moderne Touristenkopie ist. Für die zeitgenössischen AztekInnen ist es wichtig, dass der Kopfschmuck Montezumas, den sie vom Wiener Völkerkundemuseum zurückverlangen, authentisch ist. Und es ist wichtig für die KennerIn, dass die Esszimmerstühle, die sie gerade gekauft hat, wirklich von Sheraton sind. Was aber, wenn die Maske nie benutzt worden wäre, wenn der Kopfschmuck zwar alt, aber nicht von Montezuma ist und es niemandem je gelungen wäre, auch nur ein Möbelstück des berühmten Designers eindeutig zu identifizieren?

 

Wenn ein ethnologisches Team antike Kirchengemälde erwirbt - unter zweifelhaften Umständen oder nicht- und sie durch Kopien ersetzt, die für das nächste Jahrhundert vor Ort bleiben, sind die Kopien dann authentisch, weil sie in die örtlichen Gottesdienste auf dieselbe Art integriert wurden, wie eine afrikanische Maske beim Tanz? Authentifiziert das Verstreichen der Zeit Objekte, die ursprünglich als nicht authentisch klassifiziert wurden? Könnten sie jetzt (wieder) entfernt und in einem Museum ausgestellt werden? Ein konkretes Beispiel sind die verzierten Töpfe, die vom Volk der Mangbetu im nördlichen Zaire hergestellt werden. Das Design der Töpfe beinhaltet auch Abbildungen der Herrscher seit den 1870ern. Roy weist daraufhin, dass „... das Volk der Mangbetu erst ungefähr zur Jahrhundertwende damit begann, die Töpfe in Form menschlicher Köpfe zu gestalten. Sie wurden wahrscheinlich speziell für europäische Kolonisatoren und Touristen gemacht, um Bargeld zu erwerben, mit dem die Mangbetu ihre Steuern bezahlen konnten. Schließlich wurde diese Form, ebenso wie eine ganze Reihe von figurativen geschnitzten Objekten, von den Mangbetu als Ausdruck von persönlichem Status, Reichtum und gutem Geschmack übernommen.“ Der kulturelle Markt stimulierte also Handelsinteressen, die Produktion exotischer Souvenirs wird langsam zur Tradition und zu einem (afrikanischen) Statussymbol für die Hersteller.

 

 

 

Was ist also das Gegenteil von authentisch? Gefälscht? Wo verläuft die Grenze?

„... ein Detail der chinesischen Kunstgeschichte [...] zeigt wie kompliziert die Unterscheidung zwischen ‚gefälschten‘ und ‚authentischen Arbeiten‘ sein kann... Manche chinesische Gemälde werden auf einem Papier ausgeführt, das aus der Rinde des Maulbeerbaumes hergestellt wird und aus zwei dünnen Schichten besteht. wie ein Papiertaschentuch oder Toilettenpapier - so dünn, dass man sie mit etwas Geschick voneinander lösen und so aus einem zwei identische Gemälde machen könnte. Welches ist das Original? Oder kann es zwei Originale geben?“